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Ersatz, Veränderung oder Lückenfüller?

Die Rolle von (kollaborativen) Robotern in Landwirtschaft und Industrie


Diesen Monat werfen wir einen Blick auf die Frage, wie Robotik die Zukunft von Arbeitsplätzen und verschiedenen Branchen gestaltet und beeinflusst – wir sprechen mit Robert Vogel von TQ Robotics, der erklärt, wie Roboter und Cobots (aus dem englischen für "collaborative robot") die Wirtschaft und den Markt verändern können und welche Chancen und Potenziale in ihrem Einsatz liegen. Mario Schäfer, Co-Founder und CSO von Organifarms, gibt uns einen Einblick in die Rolle von Robotern in der Landwirtschaft.

Robert Vogel von TQ Robotics ©TQ Robotics

Robert, wenn wir in die Zukunft der Robotik schauen – wo siehst du Potential und welche Chancen gibt es?

Robert: Bisher arbeiten weniger als 0,5% der Industrieunternehmen mit Robotern. Besonders für kleine und mittelständische Unternehmen liegt hier in der Zukunft ein großes Potential. Mit den Cobot-Systemen eröffnen sich für die Betriebe in diesem Bereich ganz neue Möglichkeiten. Cobots sind vielfältig einsetzbar - die einfache und grafische Programmierung des Panda zum Beispiel, ermöglicht es, Prozesse nachhaltig, flexibel und in Eigenregie zu automatisieren. Cobots können so monotone, sich wiederholende Aufgaben übernehmen und die Mitarbeiter:innen entlasten. Außerdem können Qualität und Quantität in der Produktion verbessert werden – was die Wettbewerbsfähigkeit sichern kann.


Mario: Gerade dieses Sichern der Wettbewerbsfähigkeit ist auch in der Landwirtschaft ein großes Thema. Denn wenn die Landwirtinnen und Landwirte keine Arbeitskräfte finden, die die Erdbeeren oder andere Früchte pflücken, können sie sie natürlich auch nicht verkaufen. Mit Blick auf die Qualität ist es bei uns auch ähnlich, denn der Roboter kann ernten, ohne die Frucht zu berühren und vermeidet so Druckstellen, die zu schnellerem Verfaulen führen können.


In welchen Branchen seht ihr die Automatisierung am meisten voranschreiten?

Robert: Ich würde sagen, im produzierenden Gewerbe und der Elektronikindustrie. Der große Vorteil der Cobots liegt in der einfachen Programmierung, Steuerung und Bedienbarkeit. Ohne sperrige Sicherheitszäune lassen sich die Cobots in die Produktionsstätte problemlos integrieren. Sie können von den bestehenden Mitarbeitern schon nach einer kurzen Schulungsphase leicht eingerichtet und bedient werden. Das bedeutet auch, dass sich ihre Anschaffung nicht nur für sehr große Betriebe lohnt, sondern auch schon für kleinere und mittelständische.

So können die produzierenden Gewerbe sehr flexibel neue Prozesse oder Produktlinien umsetzen und auf Kundenwünsche oder Marktanforderungen erfolgreich reagieren. Solche agilen Arbeitsweisen sind auch im Umgang mit Robotern wichtig – denn Veränderungen in der Wirtschaft sind an der Tagesordnung.


Wo und wie wird euer Roboter sonst noch eingesetzt?

Robert: Auch die Elektronikindustrie ist ein optimales Einsatzgebiet für die Cobots, da hier in der Regel die zu verarbeitenden Teile ein geringes Gewicht haben. Denn sie können, im Vergleich zu Pick-and-Place Robotern weniger Gewicht bewegen. Deshalb wird ist unser Cobot häufig in kleineren und mittelständischen Unternehmen im Einsatz – bei Organifarms sehen wir aber zum Beispiel auch den Einsatz in einem Start-up!


…wie können wir uns seinen Einsatz dort vorstellen? Welche Herausforderungen bewältigen die Unternehmen mit dem Roboter?

Robert: Besonders Firmen in Europa sind müssen sich der Herausforderung “High mix, low volume“ stellen. Sie müssen also eine große Vielfalt an Produkten in relativ geringer Quantität herstellen. Hier ist eine hohe Flexibilität gefordert - Anlagen müssen kurzfristig und leicht umrüstbar und programmierbar sein. Kleinste technische Teile müssen zuverlässig verarbeitet werden. Der Cobot von Franka Emika überzeugt in diesem Bereich besonders mit seinen taktilen Fähigkeiten. Diese enorm sensitiven Eigenschaften lassen sich in allen denkbaren Industrieanwendungen einsetzen. Er ist ideal für das PCB-Testen, Löten, aber auch für verschiedenste Montage-Tätigkeiten.


Organifarms Team mit BERRY - Mario Schäfer ist Vertriebsexperte von Organifarms (zweiter von rechts).

Mario: Diese Sensibilität nutzen wir auch bei unserem Ernteroboter. Eine größere Rolle spielt aber noch die Flexibilität der Softwareschnittstelle - sie ermöglicht es uns, während des Betriebs neue Befehle und Trajektorien zu senden, die sich schnell ändern können.



Wenn Mensch und Roboter zusammenarbeiten ist das etwas anderes, als wenn nur Menschen im Betrieb sind – was ist die Besonderheit in der Zusammenarbeit mit einem Cobot?

Robert: Kollaborierende Roboter halten immer mehr Einzug in Industrie und Handwerk, wo sie Arbeitsabläufe optimieren. Das kommt bei den Mitarbeitenden nicht immer gut an – dafür ist vor allem das Vorurteil verantwortlich, dass so Arbeitsplätze wegfallen. Diese Sorge ist verständlich und muss den Mitarbeitenden genommen werden – indem klar Vorteile und Chancen aufgezeigt werden.


Was sind diese Vorteile für die Mitarbeitenden?

Robert: Durch die Robotik entfällt nicht die Rolle des Facharbeiters, lediglich seine Aufgabengebiet verändert sich. Der Facharbeiter der Zukunft hat ein Team von Robotern, was er begleitet, steuert und für das er verantwortlich ist. Der Mitarbeiter wird also ausgebildet, um dieses Team an Robotern zu

leiten. Der Cobot nimmt somit keine Arbeitsplätze, sondern eröffnet dem Mitarbeiter sogar ganz neue Möglichkeiten, um sich beruflich weiterzuentwickeln.


Mario, seht ihr diese Entwicklung genauso – als Vorteil für den Mitarbeitenden?

Mario: In gewisser Hinsicht schon. Allerdings entwickeln wir unser Produkt eher in eine Lücke hinein – denn die Landwirtinnen und Landwirte finden aktuell gar nicht genug Arbeitskräfte, um das benötigte Pensum zu bewältigen. Das heißt, hier geht es weniger darum, dass jemand wirklich ersetzt wird oder neue Aufgaben bekommt, als vielmehr darum, dass eine Arbeitsleistung erbracht wird, die vorher nicht möglich war.


Was steht einer Arbeitswelt, wie du sie beschreibst, noch im Weg, Robert?

Robert: Aktuell steht in vielen Fällen leider die aktuelle Normenlage – ähnlich der Herausforderung des Datenschutzes in anderen Bereichen – der Technologie entgegen. Sicherheitsaspekte sind elementar wichtig und müssen beachtet werden. Aber teilweise wurden die Normen noch nicht an die neue Technologie angepasst. Hier wäre eine Überarbeitung der Normen sicher von Vorteil, um noch bessere Voraussetzungen für die Zusammenarbeit zwischen Mensch und Roboter – nebeneinander, auf kleinstem Raum oder ohne Schutzraum – zu schaffen. Denn die Robotik hat sich so weit weiterentwickelt, dass das möglich ist!


Wie sieht das in der Landwirtschaft aus, Mario?

Mario: Auch hier gibt es noch wenige Standards für die Einbeziehung von Robotern – beispielsweise im Gewächshaus. Hier sehen wir, dass aktuell viele Entwicklungen passieren. Natürlich werden sich hier die Standards, auch mit Blick auf Sicherheitsregeln und Co, im Laufe der Zeit anpassen. Im Gewächshaus ist es aber beispielsweise viel einfacher möglich, einen gewissen Abstand vom Roboter zu halten, als in einem kleineren Produktionsraum.


Die Robotikbranche entwickelt sich rasant – berücksichtige Ihr die Wünsche Eurer Kunden oder beeinflussen sie Eure Entwicklung in irgendeiner Weise?

Robert: Das tun sie auf jeden Fall! Unser Ziel ist es, unsere Kunden in die Lage zu versetzen, selbst die komplexesten Prozesse in Rekordzeit zu implementieren, und zwar mit einem einzigartigen Return on Investment. Mit anderen Worten: Wir geben dem Kunden alles an die Hand, was er braucht, um seine Prozesse selbstständig zu automatisieren, um schnell, effektiv und flexibel zu arbeiten. Wir stehen in engem Kontakt mit unseren Kund:innen, so dass wir unsere Anwendungen stets an ihre Bedürfnisse und Herausforderungen anpassen und das Ökosystem um neue Prozesse erweitern können. Viele Kunden sind sich nicht sicher, ob die Robotik ihre Arbeit erleichtern könnte, oder sie sind sich nicht sicher, was technisch machbar ist. Deshalb prüfen wir ihre Prozesse vor der Implementierung unserer Roboter, geben Feedback und passen sie an, wenn möglich und nötig.


Mario: Unsere Erfahrung ist hier sehr ähnlich! Auch bei uns war es von Angfang an wichtig, die Kund:innen in den Prozess einzubeziehen und im Einzelfall zu schauen, ob und wie unsere Lösung für das jeweilige Modell funktioniert. Hiervon können beide Seiten profitieren – denn wir bekommen mehr Wissen über die Industrie und können die Informationen einbeziehen, und der Kunde bekommt natürlich das passende Produkt.


Danke für das Interview, Robert und Mario!

Mehr Informationen zum Panda und Franka Emika gibt es auf ihrer Website: www.franka.de

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